Die Kraft des Feuers
Im Kindesalter von etwa zehn Jahren ließen mich meine Eltern oft untertags alleine zu Hause. Meine Lieblingsbeschäftigung? Mit Kerzen und Feuer hantieren. Die Faszination für das Flackern der Flamme, die Wärme und die unbändige Kraft der Wandlung zog mich damals bereits in ihren Bann. Vielleicht war die mir damals unbewusste Verbindung zu meinem Sternzeichen, dem Kardinal-Feuerzeichen, dafür verantwortlich. Glücklicherweise habe ich mit meiner Leidenschaft keinen Schaden angerichtet.

Heute, mehr als vierzig Jahre später, ist Feuer ein essenzieller Bestandteil meiner Arbeit und spirituellen Praxis. Bei unseren Yoga Retreats entzünden wir regelmäßig ein großes Feuer für die Schwitzhütte, ein kraftvolles Reinigungsritual. Die langen Holzscheite brennen, während sie die Steine erhitzen, die später in die Hütte gebracht werden, um uns mit ihrer Hitze zu reinigen. In meiner Rolle als Feuerhüter entzünde ich das Feuer, besinge es und hüte seine Flammen. Es ist eine zutiefst ehrfürchtige Verbindung, ein Spüren der Kraft dieses Elements in all seinen Facetten. Ich erlebe nicht nur seine wärmende und transformierende Seite, sondern auch seine zerstörerische. Wenn die Funken mich anspucken, wenn die Flammen unkontrollierbar züngeln, erfüllt mich eine Mischung aus Demut und Respekt. In der süd- und mittelamerikanischen Tradition wird das Feuer als „Großvater Feuer“ verehrt – eine uralte Kraft, die Leben spendet, aber auch vernichten kann. Diese Momente der Nähe zum Feuer lassen mich still werden. Sie sind ein Spiegel meiner Selbst.
Die Kraft des Feuers zeigt sich nicht nur in seiner physischen Präsenz, sondern auch in unserer inneren Welt. Wut, oft missverstanden und unterdrückt, ist ein Ausdruck dieser Energie – eine Urkraft, die uns befähigt zu handeln, Grenzen zu setzen und uns von Lasten zu befreien, die uns nicht mehr dienen. Feuer brennt Altes nieder, um Platz für Neues zu schaffen.
Als eines der fünf Elemente hat Feuer eine zentrale Rolle in vielen Traditionen. Im Yoga und Ayurveda steht das innere Feuer, Agni, für unsere Verdauungskraft – nicht nur physisch, sondern auch mental und emotional. Ein starkes Verdauungsfeuer ermöglicht es uns, Nahrung, Erfahrungen und Emotionen zu verarbeiten, während ein schwaches Feuer zu Trägheit und Stagnation führen kann.
Romana und Sascha Delberg halten Yoga-Retreats in ihrem zu Hause, am Weltenhof im Südburgenland ab, welcher auch der Veranstaltungsort ihrer Yogalehrerausbildungen und Yoga-Trainings ist.
Bei unseren Retreats auf dem Weltenhof im Südburgenland entzünden wir fast täglich ein kleines Morgenfeuer. Selbst bei Kälte und Wind lodert es und erinnert uns an die unermüdliche Kraft der Sonne. Wir schenken ihm Duftkräuter, besingen es und drücken unsere Dankbarkeit aus. Das Feuer wird als Repräsentation der Sonne verehrt – jener Urquelle des Lebens, die uns Licht, Wärme und Wachstum schenkt.
In der Schwitzhütte nimmt das Feuer eine noch tiefere Bedeutung ein, insbesondere wenn wir uns dem Süden widmen. Dieser steht für Leidenschaft, Freude, Familie und das innere Kind – all jene Aspekte, die uns lebendig machen. Wir begegnen dem Feuer in verschiedenen Formen: als Hitze auf unserer Haut, als Licht in der Dunkelheit, als Reinigungskraft für Körper und Geist.
Feuer kann wärmen oder zerstören, nähren oder verbrennen. Es ist eine der kraftvollsten Energien, die wir in uns tragen und mit der wir bewusst umgehen dürfen. Es lehrt uns Transformation, Lebendigkeit und die Kunst des Loslassens. Wer sich dem Feuer mit Respekt nähert, kann seine Energie als Wegweiser nutzen – um Altes zu verbrennen und Neues mit leuchtender Kraft zu entfachen.